Montag, 26. März 2018

Eine Szene aus dem real existierenden Landeskirchen-Pfarrgemeindeleben

Im Gemeindehaus der Ev.-Luth. Kirchgemeinde war am Samstagabend ein Vortrag des Theologie-Professors Klaus-Peter Jörns «zum Thema „Update für den Glauben. Denken und leben können, was man glaubt“» angesetzt. «Dabei geht es und die Gestalt des christlichen Glaubens im Zeitalter von Evolutionstheorie und Quantenphysik als alltagstaugliche Denk- und Lebensgestalt.»
Zusammen mit Hubertus Halbfas und anderen hat Prof. Jörns die „Gesellschaft für eine Glaubensreform e.V.“ gegründet. «In ihr geht es darum, alle an einer Glaubensreform Interessierten zusammenzuführen und darauf hinzuwirken, dass sich das Christentum zu einer heute glaubwürdigen Religion weiterentwickeln kann», erklärt der Professor auf seiner Home-Page.
«Ziel ist es, den christlichen Glauben im Rahmen einer universalen Wahrnehmungs-Geschichte Gottes zu verstehen und darzustellen, wie diese von den Weltreligionen in Geschichte und Gegenwart gespiegelt wird. Dieses Ziel macht den Abschied von vielen überlieferten Glaubensvorstellungen innerhalb und außerhalb der Bibel notwendig und soll zu einer tiefgreifenden Neuformulierung des christlichen Glaubens beitragen», steht in der Pressemitteilung zur Ankündigung des Vortrags.

Der Pfarrer der Kirchgemeinde war, so erklärt er, mitgerissen von den Büchern des Professors; «diesen Mann müssen wir hier haben.»
So bekommt der Professor das Wort.
Er beklagt, daß in protestantischen Gottesdiensten die Evangelien zwar gelesen werden, seit jeher aber nur über die Briefe gepredigt werde – in den Evangelien gebe es so schöne Gleichnisse. Doch die zentralen Aussagen der Evangelien werden „exegetisch entsorgt“ (nach der Formulierung Klaus Bergers), er leugnet den Sühnetod Jesu und damit die ebendarin begründete Eucharistie unter Berufung auf die Historisch-kritische Methode, jener Methode, deren Grenzen durch aktuellere Autoren (wie etwa Klaus Berger, Hans-Joachim Schulz und Karl Jaroš) aufgezeigt worden sind und deren Denken zumindest teilweise auf einer Vorentscheidung gegen den Glaube beruht (s. Moderne Theologie und Logik). Zu 100 % sicher sei, meint er, daß die Abendmahlsworte nicht von Jesus seien; dabei beruft er sich auf den Unterschied zwischen den Abendmahlsberichten der Synoptiker einerseits und Johannes’ andererseits, ohne die „Brotrede“ Jesu bei Johannes (6,26-59) eines Wortes zu würdigen.
Woran er glaubt, das sind die Erklärung der Menschenrechte und die Naturwissenschaft, die Evolutionstheorie nämlich und die Quantenphysik.
Die Erklärung der Menschenrechte steht seiner Überzeugung nach im Widerspruch zur Lehre vom Sühnetod Christi, woraus er folgert, daß eben diese Lehre falsch sei.
Die Evolutionstheorie nimmt er an in ihrer Ausweitung auf das gesamte menschliche Sein und verbunden mit dem Fortschrittsglauben vergangener Zeiten: Sünde sei nur der Rückfall in frühere Phasen der Evolution; und das Böse könne überwunden werden nur durch künftige Evolution.
Die Wirksamkeit von Gebeten beruht für ihn auf der Quantenphysik, einer Quantenphysik nämlich, die er im Sinne Hans-Peter Dürrs versteht. Nun war Hans-Peter Dürr ein angesehener Physiker und ein interessanter Denker; aber sein Hylopsychismus ist keine Naturwissenschaft, und eine solche Ausweitung der Quantenphysik ist alles andere als Stand der Wissenschaft.
Entscheidende Autorität hat für ihn somit die (in seinem Sinne gedeutete) Erklärung der Menschenrechte, hat eine weit über ihre naturwissenschaftliche Grundlage hinaus ausgeweitete Evolutionstheorie, eine spirituell ausgedeutete Quantenphysik. Ihnen gegenüber müssen für ihn die Lehren des christlichen Glaubens zurücktreten. Glaube an Gott, an Christus taucht in seinen Worten nicht erkennbar auf.
Das Publikum ist ganz begeistert. Ein Zuhörer stellt sich als pensionierter Pfarrer vor, der seine Amtszeit hindurch darunter gelitten hat, daß er im Gottesdienst liturgische Formeln zu verwenden hatte, die seiner Überzeugung widersprachen. Der Professor empfiehlt darauf die von ihm entwickelte ganz andere Liturgie.
Allen Landesbischöfen, sagt der Professor, habe er geschrieben, um ihnen seine „Glaubensreform“ nahezulegen; keiner, so klagt er, habe geantwortet. Gegen den Strich gelesen, ist dieser Vorwurf sehr berechtigt: kein Landesbischof hat sich bemüßigt gefühlt, den Mann und seine Glaubensreformer zur Umkehr zu rufen.

Wir sind die einzigen im Saal, die ihm widersprechen. Am Ende kommt aber noch ein von weither angereister älterer Herr auf mich zu und dankt mir für meinen kritischen Beitrag.
Was ein wenig beruhigt: außer uns und dem Pfarrer sind nur ganz wenige der Anwesenden unter Siebzig.

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